Durch den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika – darunter versteht man z. B. den Einsatz bei durch Viren hervorgerufenen Infektionen, bei denen Antibiotika nicht wirken, oder eine falsche Dosierung – und die mangelnde Einhaltung von Hygienemaßnahmen können sich Antibiotika-Resistenzen entwickeln und ausbreiten.
In der Veterinärmedizin gibt es schon seit längerer Zeit sogenannte Leitlinien für den Einsatz von Antibiotika. Diese Leitlinien
beschreiben die Voraussetzungen für den Einsatz von Antibiotika bei Tieren im Rahmen „guter veterinärmedizinischer Praxis“. Sie sind deshalb nicht nur bei der Behandlung bakteriell bedingter Erkrankungen von landwirtschaftlichen Nutztieren, sondern auch bei der Behandlung von Individual-, Klein- und Heimtieren zu beachten. Auszugsweise:
- Antibiotika dürfen nur angewendet werden, wenn belegt oder mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der bei den zu behandelnden Tieren oder im Bestand zu bekämpfende bakterielle Erreger gegenüber dem eingesetzten Antibiotikum empfindlich ist. Ein Einsatz ist deshalb nur therapeutisch und metaphylaktisch zu vertreten.
- Der Einsatz von Antibiotika erfordert immer eine Diagnose basierend auf angemessener klinischer Untersuchung und erforderlichenfalls weiterführenden labordiagnostischen Untersuchungen unter Einbeziehung des Immunstatus der Tiere, bestandsspezifischer Aspekte und sonstiger Erfahrungen und Kenntnisse.
- Ein Erregernachweis und ein Antibiogramm
nach Erregerisolierung sind grundsätzlich erforderlich. Bei akuten Infektionserkrankungen, deren Behandlung keinen Aufschub duldet, muss der Tierarzt das einzusetzende Antibiotikum aufgrund klinischer Befunde und auf Basis seiner Erfahrungen hinsichtlich der betriebsspezifischen Gegebenheiten des Einzelfalles oder auch anderer Erkenntnisse (einschließlich der pharmakokinetischen Eigenschaften und der Verträglichkeit) zur Anfangsbehandlung auswählen. Ein Wechsel des Antibiotikums muss in der Regel auf der Basis von Befunden einer mikrobiologischen Diagnostik erfolgen, die rechtzeitig vor Behandlungsbeginn eingeleitet worden ist.
- Die Umwidmung
eines Antibiotikums, d. h. die Anwendung bei einem anderen Anwendungsgebiet oder bei einer anderen Tierart als nach der Zulassung bestimmt, kann in der Regel nur auf der Basis eines Antibiogramms oder anderer Erkenntnisse zur Resistenzlage erfolgen, die belegen, dass die Voraussetzungen des sog. „Therapienotstands“ vorliegen (kein entsprechendes Arzneimittel für Tierart oder Anwendungsgebiet zugelassen, arzneiliche Versorgung der Tiere ansonsten ernstlich gefährdet).
- Die Zulassung und Anwendung von Antibiotika, deren antimikrobielle Wirkstoffe der Humanmedizin vorbehalten bleiben müssen (sog. „Reserveantibiotika“), sind bei Tieren weitestgehend untersagt.
- Die Dosierung
ist ausreichend hoch (mindestens entsprechend der Packungsbeilage) zu wählen. Die Berechnung erfolgt auch nach kg Körpergewicht.
- Die Therapiedauer
ist so kurz wie möglich, jedoch ausreichend lange zur Bekämpfung der Infektion im Einzelfall zu wählen. Sie richtet sich jeweils nach der organ- und erregerspezifischen Notwendigkeit.
- Eine Kontrolle
des Behandlungserfolgs ist nach den Regeln der tierärztlichen Wissenschaft für jede ordnungsgemäße Behandlung in für den jeweiligen Einzelfall angemessenen Zeitabständen erforderlich.
- Ein Wirksamkeitsverlust
durch abnehmende Empfindlichkeit und/oder Resistenzentwicklung von Zielerregern ist an die zuständigen Stellen im Rahmen des Meldesystems für unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu melden.
Seit 28.01.2022 gilt auch ein neuer Rechtsrahmen für das Tierarzneimittelgesetz. Die neuen Vorschriften sollen die Sicherheit und die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln weiter erhöhen sowie dazu beitragen, das Risiko antimikrobieller Resistenzen zu verringern. So wird unter anderem die nationale Erfassung der Antibiotikaverbrauchsmengen bei den unterschiedlichen Tierarten vorgeschrieben. Mit der sogenannten Antibiotika Mengenstromanalyse
werden die eingesetzten Antibiotika erfasst und auf Grundlage einer Analyse der verkauften, abgegebenen und angewendeten Antibiotika werden die Vertriebswege transparent. Die Tiefe der Erfassung macht es möglich, nicht nur auf die Menge, sondern auf die Anwendungshäufigkeiten zu schließen.
Ist der Einsatz eines Arzneimittels bei einem Nutztier/lebensmittelliefernden Tier unerlässlich so gelten gesetzliche Wartezeiten
vor der Schlachtung bzw. der Verwertung tierischer Produkte wie Milch, Eier oder Honig.
Nach den Vorgaben der EU-Verordnung 2017/625 werden lebende Tiere (Rinder, Schweine, Geflügel), Frischfleisch von Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Geflügel, Pferd, Farmwild, Wild aus freier Wildbahn und Erzeugnisse der Aquakultur sowie Milch, Eier und Honig auf das Vorhandensein von Rückständen laut Nationalem Rückstandskontrollplan
untersucht. Die stichprobenartige Kontrolle auf Rückstände bei Schlachttieren, im Fleisch und in tierischen Produkten wird auf Basis eines jährlich aktualisierten und von der EU-Kommission genehmigten Planes durchgeführt. Die analytischen Untersuchungen umfassen ein breites Spektrum von möglichen Rückstandsbildnern (Hormone, Beta-Agonisten, Chloramphenicol sowie andere Chemotherapeutika und Antibiotika, aber auch Mykotoxine, Schädlingsbekämpfungsmittel, Schwermetalle und Farbstoffe). Im Vordergrund steht die Kontrolle der lebensmittelliefernden Tiere, daher erfolgt die Probenziehung sehr nahe an der Primärproduktionsstufe. Bei Nachweis verbotener Substanzen bzw. bei Höchstwertüberschreitungen sind die betroffenen Betriebe zu sperren, und weiterführende Erhebungen betreffend des Arzneimittelgebrauchs am Betrieb sind durchzuführen. Bei Feststellung einer vorschriftswidrigen Behandlung wird mit Bescheid eine Sperre des betroffenen Tierbestandes erlassen, um damit das Inverkehrbringen weiterer Tiere zu verhindern. Tiere, denen verbotene Substanzen verabreicht wurden, werden getötet und unschädlich entsorgt.
Des Weiteren wird ein jährliches Resistenzmonitoring
durchgeführt. Dieses dient in erster Linie dazu, zu erkennen, ob Testkeime (Campylobacter jejuni, Campylobacter coli, E. coli, Salmonella spp., Enterococcus faecalis
und Enterococcus faecium), die aus Rindern, Schweinen Geflügel, oder Kleintieren isoliert wurden, bereits gegen bestimmte antimikrobielle Substanzen Resistenzen erworben haben. Hierzu wird der Anteil der empfindlichen Wildtyp-Population an der Gesamtpopulation je Bakterienspezies bestimmt und dieses Verhältnis über Jahre bewertet. Die Ergebnisse erscheinen jährlich in einem Bericht.
Mit diesen Maßnahmen konnten die Antibiotikamengen in der Tiermedizin in der Zeit von 2011 bis 2016 um mehr als 56,5 Prozent
gesenkt werden. Seit 2016 bis heute arbeitet die Veterinärmedizin erfolgreich daran, die eingesetzte Menge an Antibiotika weiter zu reduzieren.
Text: Dr. Jutta Pikalo, Mitglied jUNITE e.V.